Balder, Geschichte der Deutschen Burschenschaft

Hans-Georg Balder, Geschichte der Deutschen Burschenschaft, Teilbände 1 und 2.

Insgesamt 1.186 Seiten, Format 17 × 24 cm, fester Einband.

Artikelnummer: BDB

Kategorie: Verbindungen und Verbände, Chronik, WJK-Verlag

 

Balder, Geschichte der Deutschen Burschenschaft (BDB)

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Produktbeschreibung


Hans-Georg Balder, Geschichte der Deutschen Burschenschaft

Teilbände 1 und 2

Insgesamt 1.186 Seiten, Format 17 × 24 cm, fester Einband, WJK-Verlag

 

Gemessen daran, dass die Burschenschaften im 19. Jahrhundert eine bedeutende und historisch wirkmächtige Studentenbewegung waren, ist die Zahl wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Phänomen relativ klein. Während demnach das Interesse an der Burschenschaftsgeschichte seitens der universitären Geschichtswissenschaft mäßig ist, stammen zahlreiche Bücher zu diesem Thema von außeruniversitären Studentenhistorikern, die selbst Burschenschafter sind. Dies ist auch bei dem hier angezeigten Werk der Fall. Die nun erschienene zweite Auflage der Geschichte der Deutschen Burschenschaft von Hans-Georg Balder ist gegenüber der ersten Auflage aus dem Jahre 2006 um gut das Doppelte angewachsen und liegt in zwei Teilbänden vor. Es handelt sich um eine Gesamtdarstellung der Geschichte der Burschenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die jüngste Gegenwart.

Von der Gründung der Urburschenschaft 1815 geht Balder rasch zum Wartburgfest 1817 über, in dem er den „kritischen Geist einer aufgeklärten Jugend“ am Werk sieht (S. 32). Ausführlich zur Sprache kommt die staatliche Verfolgung der Burschenschaften nach den Karlsbader Beschlüssen des Jahres 1819, die jedoch die burschenschaftlichen Aktivitäten nicht zum Erliegen bringen konnten. Wichtig ist der Hinweis, dass der Burschentag 1831 die Aufnahme von Juden – in Abkehr eines Beschlusses von 1827 – ermöglichte (S. 55). Am Ende des Jahrhunderts hatte sich die Einstellung vieler Burschenschafter – und der gesamten Gesellschaft – zu ihren jüdischen Mitbürgern verändert. Innerhalb des Allgemeinen Deputierten-Convents wurde die Frage, ob jüdische Studenten Mitglied einer Burschenschaft werden konnten, kontrovers diskutiert. Bemerkenswert ist, dass trotz des gerade an den Hochschulen verbreiteten Antisemitismus sich innerhalb der Burschenschaften auch solche Stimmen vernehmlich zu Wort meldeten, die die Diskriminierung von Juden ablehnten (S. 175).

Nach dem Ersten Weltkrieg gerieten die liberalen Kräfte jedoch ins Hintertreffen. 1920 beschloss der Eisenacher Burschentag, keine Juden mehr aufzunehmen. Balder resümiert:

Die Ausgrenzung jüdischer Studenten, überhaupt die Diskriminierung des Judentums, bei der die Deutsche Burschenschaft glaubte voranschreiten zu müssen, war nicht nur ein Irrweg, es war eines der übelsten gesellschaftlichen Vergehen, dessen man sich schuldig machen konnte.“ (S. 453)

Eines der schwierigsten Kapitel in der Geschichte der Burschenschaften ist ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. Hans-Georg Balder weist völlig zu Recht darauf hin, dass die Einstellung der Nationalsozialisten gegenüber den Korporationen überwiegend feindselig war (S. 531), was allerdings viele Korporierte nicht davon abhielt, sich der NSDAP und ihrer Gliederungen anzuschließen und innerhalb ihrer Bünde und Verbände dem nationalsozialistischen Machtanspruch zuzuarbeiten. Wie Balder feststellt, war der eigene „Anteil, den sie zu ihrer Zerschlagung beisteuerten“, somit erheblich (S. 532). Die Politik der Nationalsozialisten gegenüber den Korporationen war nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 zunächst keineswegs aus einem Guss, weshalb sie Balder zutreffend als „Kreuz-und-Quer“ und als „Mit- und Gegeneinander der maßgeblichen Stellen“ beschreibt (S. 631). Die Reaktion der Deutschen Burschenschaft als Verband war widersprüchlich. Ziel war es, auch im „Dritten Reich“ noch Einfluss auf die Hochschulpolitik ausüben zu können. Um sich zu behaupten, nahm der Burschenschafterverband ideologischen und organisatorischen Gleichschritt mit der NSDAP und ihren Unterorganisationen auf (S. 639 f.). Dabei wurde von ihm verkannt, dass die bedingungslose Annäherung der Deutschen Burschenschaft an die NSDAP einer Selbstaufgabe gleichkam: „Strukturell noch vorhanden, war sie in ihrer Wesensart und ideell liquidiert“ (S. 641).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde einer Rekonstitution der Burschenschaften von verschiedenen Seiten Widerstand entgegengebracht. So sprach sich nicht nur der Sozialistische Deutsche Studentenbund gegen die Korporationen aus, sondern auch die westdeutsche Rektorenkonferenz, die im Oktober 1949 ihrer „ernste[n] Sorge“ Ausdruck verlieh über die „Gefahren“, die durch eine „Wiederherstellung alter überlebter Gemeinschaftsformen drohen“ (S. 813). Nichtsdestotrotz fand eine Woche nach der Konferenz der deutschen Rektoren eine Zusammenkunft alter Burschenschafter in Rüdesheim statt (S. 814). Nur wenige Wochen später wurde von Aktivenseite die „Marburger Arbeitsgemeinschaft Deutscher Studentenverbindungen“ gegründet, die die Rekonstitution der Deutschen Burschenschaft an Pfingsten 1950 vorbereiten sollte (S. 819). In dieser Phase der Rekonstitutionen war auch die Möglichkeit einer „Corporatio Generalis“, also eines allgemeinen Verbandes der Burschenschaften, Kösener und Weinheimer Corps, Landsmannschaften und Turnerschaften im Gespräch, zu dem es bekanntlich nicht gekommen ist (S. 820 f.).

Auch wenn sich in den 1960er-Jahren die Kritik an den Burschenschaften fortsetzte, konnten sie sich in dieser Zeit konsolidieren. Im Juni 1965 fand die 150-Jahr-Feier der Deutschen Burschenschaft  im geteilten Berlin statt, mit Festreden von Erich Mende, des damaligen Ministers für gesamtdeutsche Fragen, und dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Der abendliche Festkommers zählte laut Balder 8.000 Teilnehmer (S. 900 f.). Der Streit um die Pflichtmensur führte die Deutsche Burschenschaft bereits 1971 an den Rand der Spaltung, die durch einen Kompromiss noch verhindert werden konnte. Dieser bestand unter anderem darin, dass die Mensurfrage in das Ermessen der einzelnen Burschenschaften gestellt und ein „volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff“ in die Statuten aufgenommen wurde (S. 933).

Ausführlich geht Hans-Georg Balder auf die jüngste Geschichte der Burschenschaften ein, in der insbesondere die internen Auseinandersetzungen über den „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ auf das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit stießen. Auf dem Höhepunkt dieses Streites ging es um die Mitgliedschaft eines Deutschen mit chinesischen Wurzeln in einer Mannheimer Burschenschaft. Eine beträchtliche Zahl von Burschenschaften lehnte diese Mitgliedschaft ab, weil der Student kein Deutscher im Sinne der Deutschen Burschenschaft sei. Hierbei beriefen sie sich auf ein Gutachten, das der Rechtsausschuss des Verbandes erstellt hatte, und in dem nach ethnischen Kriterien unterschieden wurde, wer Deutscher sei, und wer nicht (S. 1109 f.). Für einen Außenstehenden ist diese Debatte schwer verständlich. In einem Antrag war von „Gesichts- und Körpermorphologie“ als ethnischen Kriterien europäischer Herkunft die Rede – Balder bewertet diese Formulierungen, die er als einen gescheiterten Versuch ansieht, „politisch korrekt zu formulieren“, als „problematisch“ (S. 1111 f.), was sie allemal sind. Aber vor allem sind sie rassistisch.

Insgesamt ist Hans-Georg Balder eine gut lesbare und informative Geschichte der Deutschen Burschenschaft gelungen, wobei ich mir jedoch manche Wertungen wie das letztgenannte Beispiel nicht zu Eigen machen kann. Es wäre darüber hinaus anregend, wenn in studentenhistorischen Arbeiten vermehrt kultur-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze berücksichtigt würden, wie dies jüngst Wolfgang Wippermann in seinem Buch Männer, Mythen und Mensuren gefordert hat. Zu denken ist etwa an die große Zahl historischer Studien, die in den letzten drei Jahrzehnten zur Rolle von Ritualen erschienen sind. Gerade für die historische Ritualforschung bieten die Verbindungen ein sehr dankbares Feld und mit Hilfe ritualwissenschaftlicher Fragestellungen können über einen narrativen Ansatz hinaus neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Oliver Mohr (aus: Studenten-Kurier 1-2/2019)