Franz Liszt (1811 - 1886), Gaudeamus Igitur – Pièces d'occasion.
Leslie Howard, Klavier.
Musik-CD, DDD, Spielzeit 74 Minuten.
Artikelnummer: LGI
Kategorie: Studentenlieder
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Die CD enthält in einer Einspielung von 1995 Klavierwerke von Franz Liszt, darunter seine Gaudeamus-igitur-Paraphrase (9:08 Minuten) und die Erstaufnahme der Gaudeamus-igitur-Humoreske (8:39 Minuten).
Das Studentenlied »Gaudeamus igitur« wurde lange Zeit mit Abschlußfeierlichkeiten und anderen akademischen Anlässen verbunden.
Liszt benutzte es sowohl in der Musik für den dramatischen Dialog »Vor hundert Jahren« als auch in zwei der hier aufgenommenen Werke. Die »Gaudeamus igitur - Paraphrase« (oder »Gaudeamus! Chanson des étudiants«, wie der Titel der Schlesinger-Ausgabe lautet) war für einen uns unbekannten Anlaß komponiert worden und stellt das Material in jenen extrovertierten Paraphrasen dar, die für Liszt so bezeichnet sind.
Das spätere Werk mit demselben Thema, die »Gaudeamus igitur - Humoreske«, war eine Auftragsarbeit für die Konzerte der Jahrhundertfeier der Jenaer Akademie 1870. Liszt verwendete hier in einem größeren Werk für Orchester zusammen mit Männer- oder gemischtem Chor überarbeitete Stilelemente des ersten Stückes. Zudem bereitete er jeweils eine Version für Klavierduett und Soloklavier vor, und wie immer versah er die Version für Soloklavier mit strukturellen Wechseln, um dann am Ende ein Stück geschaffen zu haben, das weitaus mehr als eine reine Transkription ist. Das Werk kann als ein Ergebnis Liszts reiferer Jahre betrachtet werden.
* Erstaufnahmen
Vergleiche solcher Art sind immer problematisch, aber ganz falsch ist die Behauptung nicht, daß Franz Liszt (1811–1886) so etwas wie ein Michael Jackson seiner Zeit war. Ein exzellenter Exzentriker, stilprägend nicht allein mit seiner Kunst, auch mit seiner Erscheinung, seinem Gestus und Habitus. Er war einer, dem man sprichwörtlich zu Füßen lag und dessen Exhibition nahtlos von den Konzertsälen in die Salons überging. Der damalige Begriff »Lisztomanie« erinnert nicht von ungefähr an das moderne Schlagwort von der »Beatlemania«.
Der im damals ungarischen Raiding geborene Pianist und Komponist begann als Wunderkind, wurde als solches in Wien Schüler Czernys und Salieris und gewann Beethovens Anerkennung, ließ sich in Paris von Berlioz und Chopin beeinflussen und wurde seiner exorbitanten Technik wegen als »Paganini des Klaviers« gepriesen. Er feierte europaweite Erfolge, war ein geschätzter Gesellschafter und Liebling der Damenwelt und blieb den weltlichen Vergnügungen auch noch zugetan, als er im sechsten Lebensjahrzehnt die niederen Weihen empfing. Als Komponist blieb er weitgehend der Programmusik verhaftet, schrieb aber auch zwei virtuose Klavierkonzerte und wandte sich in späteren Jahren der geistlichen Musik zu. Zur Krönung Franz Josephs zum König von Ungarn komponierte er die »Ungarische Krönungsmesse«. Seine einzige Oper »Don Sancho« blieb bedeutungslos, dafür gelangen ihm zahlreiche einfühlsame Lieder. Noch heute faszinieren seine Klavierbearbeitungen und Transkriptionen; mehr als zwei Drittel seiner fast 400 Werke sind dieser Gattung zuzuordnen.
Mit seiner hochgewachsenen Erscheinung, dem markanten Profil und der Begabung für äußere Effekte beherrschte er sein Publikum souverän. Er verstand, sich in Szene zu setzen und ins Gespräch zu bringen und brachte es natürlich zu einer Unzahl von Ehrungen und Dekorationen – dennoch soll keine dieser Feststellungen den geringsten Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Tiefe seiner Kunst aufkommen lassen. Seine Tonsprache hat nicht nur bei seinem Schwiegersohn Richard Wagner Wirkung hinterlassen, sondern auch noch bei Eugen d’Albert, Ferruccio Busoni, Richard Strauss und selbst Olivier Messiaen.
Doch nicht allein die Damenwelt erlag dem Charme des Genius Liszt, auch die gebildete Jugend tat es, namentlich die Studenten. Der Biograph Peter Raabe berichtet von einem beispiellosen Komitat, das Liszt 1842 nach seiner Konzertserie in Berlin von den Studenten bereitet wurde: Dreißig vierspännige Wagen, flankiert von berittenen Chargierten, begleiteten ihn, der selbst in einem Sechsspänner saß, zur Stadt hinaus …
Diese Bewunderung der akademischen Jugend mag es ihm leicht gemacht haben, deren herausragendes Festlied, das «Gaudeamus igitur«, immer wieder gespielt und auch bearbeitet zu haben. Wir finden es in dreien seiner Werke: In der 1843 entstandenen Gaudeamus-Paraphrase (auch: »Gaudeamus! Chanson d’etudiants«), in der Gaudeamus-Humoreske, die 1870 als Auftragswerk der Musikakademie Jena zu deren 100. Gründungstag entstanden ist, und schließlich in dem für denselben Anlaß komponierten, kaum bekannten dramatischen Dialog »Vor hundert Jahren«.
Während letzteres Werk auf Tonträgern nicht vorliegt, hat der amerikanische Pianist Leslie Howard die anderen beiden schon 1995 eingespielt, zusammen mit zehn weiteren Klavierstücken. Der Vergleich der beiden Kompositionen bestätigt, was im Booklet auch begründet wird, daß nämlich die Paraphrase des jungen Liszt zwar melodisch platter, aber ungleich lebendiger und fröhlicher geraten ist, als die strukturell und thematisch anspruchsvollere Humoreske des reifen Meisters.
Raimund Lang
Studenten-Kurier 1/2006